„Verzicht auf die konkrete Verweisung spaltet die Vermittlerschaft“

Die Bayerische hat im Sommer einen neuen Tarif in der BU-Versicherung auf den Markt gebracht. Was daran neu ist und warum die konkrete Verweisung für Zündstoff sorgt, erläutern Kristine Rößler, Leiterin der Geschäftsfelds Einkommenssicherung, und Panos Kalantzis, Biometrie-Spezialist bei der Bayerischen, im Gespräch mit Biomex.TV.

Biomex.TV: Heute sprechen wir über die Neuerungen in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) der Bayerischen. Was genau ist neu daran?

Kristine Rößler: Wir haben seit Juli einen neuen Tarif, der vor allem eine Baustein-Logik mit sich bringt. Auf einem soliden Grundpaket – unserer BU Protect – können Kunden individuell weitere Optionen hinzufügen, je nach Wunsch und Bedarf. Wir haben nicht nur bestehende Bausteine verbessert, wie etwa die AU-Klausel, sondern auch neue ergänzt. Zwei wichtige Ergänzungen, die ich hervorheben möchte, sind der Dienstanfängerbonus und die Teil-DU-Option.

Es gibt immer mehr Tarife, die dieses Baukastenprinzip verwenden, vor allem bei der Grundfähigkeitsversicherung. Kann man das bei Ihnen mit den Tarifen in der BU-Versicherung vergleichen?

Rößler: Im Prinzip verfolgen wir ein ähnliches Konzept wie bei der Grundfähigkeitsversicherung. Der Kern der BU-Versicherung bei der Bayerischen ist bereits leistungsstark. Aber der große Vorteil des Baukastens ist, dass man nach Bedarf Zusatzbausteine wählen kann – sei es für Beamte, für eine erweiterte AU-Leistung oder was sonst individuell relevant ist. Der Unterschied zur Grundfähigkeit liegt hier darin, dass es sich bei der BU um eine sehr grundlegende Absicherung handelt, während der Fokus bei der Grundfähigkeitsversicherung mehr auf spezifischen Bausteinen liegt. Aber die Grundidee der Passgenauigkeit bleibt gleich.

Eine besonders interessante Option ist der Verzicht auf die konkrete Verweisung, die in der Option Prestige-Schutz enthalten ist. Warum haben Sie sich entschieden, diesen Baustein anzubieten, wo doch viele Anbieter noch auf die Verweisung bestehen?

Panos Kalantzis: Das Thema Verzicht auf die konkrete Verweisung spaltet die Vermittlerschaft, und das ist auch nachvollziehbar. Der klassische Ansatz lautet, dass jemand, der wieder ins Berufsleben zurückkehren kann, eigentlich keine Existenzängste mehr haben sollte und auch keine BU-Rente mehr bekommt. Andererseits gibt es die Sichtweise, dass der Verzicht auf eine Verweisung für den Versicherten mehr Rechtssicherheit bedeutet. Bei uns ist dieser Baustein jedoch nicht automatisch im Tarif integriert, sondern als beitragspflichtiger Baustein wählbar. So kann der Makler den Bedarf individuell ermitteln und den Baustein passend hinzuzufügen.

Kommen wir nun zu den Beamten, die eine spezielle Zielgruppe darstellen. Was macht die Berufsunfähigkeit für Beamte so besonders?

Rößler: Beamte sind in der Tat eine spezielle Gruppe, besonders weil sie nicht von Berufsunfähigkeit, sondern von Dienstunfähigkeit betroffen sind. Der Dienstherr versetzt einen Beamten bei Dienstunfähigkeit in den Ruhestand oder entlässt ihn, je nach Status. Dazu gibt es auch eine spezielle beamtenrechtliche Versorgung, die von der Absicherung eines Angestellten abweicht. Diese Unterschiede machen eine maßgeschneiderte Absicherung notwendig, und genau darauf haben wir unser Produkt für Beamte ausgerichtet.

Eine Neuerung ist der Dienstanfängerbonus, bei dem die vereinbarte Rente in den ersten Jahren auf 150 Prozent steigt. Warum ist das gerade für Berufseinsteiger so wichtig?

Rößler: Der Dienstanfängerbonus ist besonders wichtig, weil Beamte in den ersten Jahren ihrer Karriere noch keine beamtenrechtliche Versorgung haben. Diese tritt erst nach einer Wartezeit von fünf Jahren in Kraft. In dieser Übergangszeit, in der noch keine ausreichende Versorgung gewährleistet ist, können Beamte eine größere Versorgungslücke haben. Der Bonus sorgt dafür, dass diese Lücke in den ersten Jahren kompensiert wird.

Ein weiterer Baustein, den Sie eingeführt haben, ist die anteilige Leistung bei begrenzter Dienstunfähigkeit ab 20 Prozent. Welche Zielgruppe ist hier besonders betroffen? 

Kalantzis: Diese Option ist vor allem für Beamte wichtig, die bereits mit einer begrenzten Dienstunfähigkeit zu kämpfen haben. Besonders bei Lehrkräften oder anderen Berufsbeamten kann es zu einer teilweisen Dienstunfähigkeit kommen. Bislang wurde dieses Thema häufig übersehen, aber mittlerweile gibt es eine größere Anerkennung dafür, dass auch bei begrenzter Dienstunfähigkeit eine anteilige Absicherung sinnvoll ist.

Sie haben auch eine interessante Änderung im Umgang mit psychischen Vorerkrankungen vorgenommen: Seit zwei Jahren schließen Sie Menschen mit solchen Vorerkrankungen nicht mehr kategorisch aus. Welche Erfahrungen haben Sie in dieser Zeit gemacht?

Rößler: Die wichtigste Erkenntnis ist, dass es sich lohnt, genau hinzuschauen. Pauschal abzulehnen war in der Vergangenheit oft zu vorsichtig. Wenn jemand eine psychische Erkrankung wie eine Angststörung erfolgreich behandelt hat und mit der richtigen Therapie gut umgehen kann, stellt das in vielen Fällen kein höheres Risiko dar als bei jemandem, der sich seiner psychischen Belastung noch nicht bewusst ist. Wir versuchen nun, differenziert zu prüfen und mehr Menschen eine Absicherung zu bieten.

Aber wie stellt man fest, ob jemand wirklich psychisch gesund ist? Das ist nicht so einfach wie bei einem gebrochenen Bein, oder?

Kalantzis: Genau, die Diagnose einer psychischen Erkrankung ist natürlich nicht so einfach wie bei physischen Verletzungen. Wir schauen vor allem, ob der Kunde eine Therapie durchlaufen und dabei auch positive Fortschritte gemacht hat. Die Teilnahme an einer Psychotherapie zeigt, dass der Kunde gelernt hat, mit psychischen Belastungen besser umzugehen. Dies erhöht die sogenannte Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit gegenüber zukünftigen Krisen. Und künftige Krisen kommen bestimmt.

Ein völlig anderes Thema: Nach über 30 Jahren wird der Höchstrechnungszins ab 2025 von 0,25 auf ein Prozent steigen. Wie wirkt sich das auf Ihre BU-Tarife aus?

Rößler: Der höhere Höchstrechnungszins führt dazu, dass BU-Versicherungen insgesamt günstiger werden. Entweder sinken die Beiträge oder der Kunde erhält für denselben Beitrag eine höhere Rente. Das betrifft nicht nur die BU, sondern auch die Grundfähigkeitsversicherung.

Sollte man jetzt warten, bis der Zins im Januar steigt, bevor man eine BU abschließt?

Kalantzis: Nein, auf keinen Fall. Wir bieten unseren Kunden die Möglichkeit, ihren Vertrag schon jetzt abzuschließen. Ab Januar kann der Vertrag dann auf den neuen Zinssatz umgestellt werden, was zu einer höheren versicherten Rente führt. Kunden müssen also nicht abwarten, sondern können jetzt schon von den Vorteilen profitieren.

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Karen Schmidt ist seit Gründung von Pfefferminzia im Jahr 2013 Chefredakteurin des Mediums.

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